8. Oktober 2020
Mit Sorge zur Kenntnis nehmend, dass die mangelnde Anerkennung des Völkermords an den Sinti und Roma zu den Vorurteilen und zur Diskriminierung beigetragen hat, die viele Gemeinschaften der Sinti und Roma* heute noch erfahren, sowie in der Wahrnehmung unserer Verantwortung, solchen Formen von Rassismus und Diskriminierung entgegenzutreten (Artikel 4 und 7 der IHRA Ministererklärung von 2020 sowie Artikel 3 der Erklärung von Stockholm), verabschiedet die IHRA die folgende Arbeitsdefinition von Antiziganismus:
Antiziganismus manifestiert sich in individuellen Äußerungen und Handlungen sowie institutionellen Politiken und Praktikender Marginalisierung, Ausgrenzung, physischen Gewalt, Herabwürdigung von Kulturen und Lebensweisen von Sinti und Roma sowie Hassreden, die gegen Sinti und Roma sowie andere Einzelpersonen oder Gruppen gerichtet sind, die zur Zeit des Nationalsozialismus und noch heute als „Zigeuner“ wahrgenommen, stigmatisiert oder verfolgt wurden bzw. werden. Dies führt dazu, dass Sinti und Roma als eine Gruppe vermeintlich Fremder behandelt werden, und ihnen eine Reihe negativer Stereotypen und verzerrter Darstellungen zugeordnet wird, die eine bestimmte Form des Rassismus darstellen.
Als Leitfaden für die Arbeit der IHRA wird Folgendes anerkannt:
Antiziganismus gibt es seit Jahrhunderten. Er war ein zentrales Element der gegen Sinti und Roma gerichteten Verfolgungs- und Vernichtungspolitik, wie sie vom nationalsozialistischen Deutschland sowie von denjenigen faschistischen und extrem nationalistischen Partnern und anderen Mittätern, die sich an diesen Verbrechen beteiligten, betrieben wurde.
Antiziganismus hat weder mit der NS Zeit begonnen noch danach aufgehört, sondern ist weiterhin ein zentrales Element von an Sinti und Roma begangenen Verbrechen. Trotz der bedeutenden Arbeit der Vereinten Nationen, der Europäischen Union, des Europarates, der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa und anderer internationaler Gremien sind die Stereotypen und Vorurteile in Bezug auf Sinti und Roma bis heute weder delegitimiert noch hinreichend energisch diskreditiert worden, so dass sie fortbestehen und unwidersprochen angewendet werden können.
Antiziganismus ist ein facettenreiches Phänomen, das auf breite gesellschaftliche und politische Akzeptanz stößt. Er behindert maßgeblich die Inklusionder Sinti und Roma in die Gesamtgesellschaft und verwehrt ihnen gleichberechtigten Zugang zu Rechten, Chancen und Teilhabe am gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Leben.
Es gäbe zahlreiche Beispiele zur Veranschaulichung des Antiziganismus. Antiziganismus könnte unter Berücksichtigung der Gesamtsituation aktuell folgende Formen annehmen, wobei hier kein Anspruch auf Vollständigkeit erhoben wird:
* Der Begriff „Sinti und Roma“ wird als Oberbegriff für verschiedene verwandte sesshafte oder nicht sesshafte Gruppen verwendet, etwa Roma, Travellers, Gens du voyage, resandefolket/de resande, Sinti, Camminanti, Manouches, Kalé, Romanichels, Boyash/Rudari, Aschkali, Ägypter, Jenische, Dom, Lom und Abdal, die sich in Kultur und Lebenswandel unterscheiden können. Es handelt sich hierbei um eine erklärende Fußnote, nicht um eine Definition des Begriffs „Sinti und Roma“.
The experts in the IHRA’s Committee on the Genocide of the Roma were tasked with developing a working definition on antigypsyism/anti-Roma discrimination in 2017, as part of the IHRA Strategy to safeguard the record and counter distortion of the Holocaust and genocide of the Roma.
Roma are Europe’s largest ethnic minority and have experienced persecution and discrimination in the region for centuries. The urgent need for a working definition became undeniable in 2020 when, shortly after the IHRA adopted its 2020 Ministerial Declaration, which reaffirmed the organization’s commitment to countering antigypsyism/anti-Roma discrimination, the COVID-19 pandemic hit. Across Europe, Roma were scapegoated and blamed for the virus’ spread, resulting in a rise in both anti-Roma hate and policy. A working definition based on the consensus of the IHRA’s Member Countries would provide the IHRA, governments, and civil society with a common understanding of the phenomenon, allowing for more productive discussions.
The text above is the result of the work within the IHRA’s Committee on the Genocide of the Roma, which consists of delegates from IHRA Member Countries across various disciplines. It was drafted during consultations and extra meetings of the Committee, and with representatives of Roma communities. All Working Group and Committee Chairs in 2019 and 2020 were also consulted, as were the Luxembourg and German IHRA Presidencies. The working definition was adopted by all IHRA Member Countries during an extraordinary Heads of Delegation meeting on 8 October 2020 under the German IHRA Presidency.
Since working definition’s adoption, the IHRA has used the tool to guide its work on the genocide of the Roma. For example, it enabled the creation of the IHRA Project drafting Recommendations for Teaching and Learning about the Persecution and Genocide of the Roma during the Nazi era, which began its work in 2022. It also formed the core of the IHRA’s response to discrimination against Roma refugees fleeing Ukraine.
Implementation of the working definition is ongoing and the IHRA commends those countries who have adopted the definition at the national level, including Austria, Croatia, Germany, Israel, North Macedonia, Slovakia, and the United Kingdom. Both in these countries and beyond, the working definition is being used by civil society organizations to, for example, counter antigypsysim/anti-Roma discrimination in sports associations, support youth activity, and develop training programs for professionals.
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